Die Vertreter einer Glaubensethik [FN 2] gehen davon aus, daß christliche Sittlichkeit nicht autonom ist, sondern aus dem Glauben entwickelt werden muß. Soweit nicht explizit vorhanden, müssen danach konkrete ethische Normen durch Ableitung oder Anwendung von der christlichen Botschaft her entwickelt werden. Je nach Ausformung der Denkansätze beziehen sich die Glaubensethiker auf die Bibel, die Tradition oder das Lehramt. In der Beschreibung des „christlichen Sinnhorizontes“ finden sie allgemeine Zustimmung. Strittig werden ihre Thesen dort, wo es um die Methoden der Normenfindung geht.
Ein Beispiel für die Argumentation der Glaubensethiker ist die folgende Aussage von Hans Urs von Balthasar: „Die konkrete Existenz Christi – sein Leben, Leiden, Sterben und endgültig leiblich Auferstehen – hebt alle übrigen Systeme ethischer Normierung in sich auf; sittliches Handeln von Christen hat sich im letzten nur vor dieser Norm zu verantworten. Die in der Person Christi vollbrachte Synthese des gesamten Willens des Vaters ist eschatologisch und unüberbietbar, deshalb a priori universal normativ.“ [FN 3]
[FN 2] vgl. dazu u.a.:
Stöckle,Bernhard: Autonome Moral. In: Stimmen der Zeit. 98 (1973). S. 723 – 736.
ders.: Grenzen der autonomen Moral. München 1974.
ders.(Hrsg.): Wörterbuch christlicher Ethik. Freiburg 1975.
Ratzinger,Josef )Hrsg.): Prinzipien christlicher Moral. Einsiedeln 1976 (mit Beiträgen von Heinz Schürmann und Hans Urs von Balthasar).
Scheffczyk,Leo: Die Theologie und das Ethos der Wissenschaften. In: Münchener Theologische Zeitschrift. 25 (1974). S.336-358.
[[FN 3] Balthasar,Hans Urs von: Neun Sätze zur christlichen Ethik. In: Ratzinger,Josef (Hrsg.): a.a.O. S. 67-93. hier: S.74.]
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[Seite 64, li. Sp., Z. 27-32]
Die Vertreter einer Glaubensethik [EN 7] verbinden mit dem Begriff der Autonomie […] die Leugnung eines weltüberlegenen Gottes.
[Seite 64, li. Sp., Z. 40-46]
Jedenfalls kann nach ihrer Auffassung christliche Sittlichkeit nicht autonom, sondern muß aus dem Glauben entwickelt werden. Von der christlichen Botschaft her müssen durch Ableitung oder Anwendung oder wie immer sonst konkrete ethische Normen entwickelt werden,
[Seite 64, re. Sp., Z. 1-5]
soweit sie nicht darin explizit enthalten sind. Die Glaubensethik stellt sich in verschiedenen Ausformungen dar, je nachdem sie sich hauptsächlich auf die Bibel, auf die Tradition oder auf das Lehramt beruft.
[Seite 64, re. Sp., Z. 38-46]
Sie sagen Beachtliches aus zur Bestimmung des „christlichen Sinnhorizonts“ und können insoweit der allgemeinen Zustimmung gewiß sein. Aber ihre Thesen werden schwierig, wenn sie […] eine bestimmte Meinung über Normenfindung insinuieren – so etwa, wenn H. Urs von Balthasar schreibt:
[Seite 65, li. Sp., Z. 1-10]
„Die konkrete Existenz Christi – sein Leben, Leiden, Sterben und endgültig leiblich Auferstehen – hebt alle übrigen Systeme ethischer Normierung in sich auf; sittliches Handeln von Christen hat sich im letzten nur vor dieser Norm zu verantworten … Die in der Person Christi vollbrachte Synthese des gesamten Willens des Vaters ist eschatologisch und unüberbietbar, deshalb a priori universal normativ.“[EN 9]
[Seite 74, re. Sp., Z. 3-15]
[EN 7] B. Stöckle, Autonome Moral. Kritische Befragung des Versuchs zur Verselbständigung des Ethischen, in: Stimmen der Zeit 98 (1973) 723-736; ders., Grenzen der autonomen Moral, München 1974; ders. (Hrsg.), Wörterbuch christlicher Ethik (Herderbücherei 533) Freiburg 1975; […] J. Ratzinger (Hrsg.), Prinzipien christlicher Moral, Einsiedeln 1976 (mit Beiträgen von H. Schürmann und H. Urs von Balthasar); L. Scheffczyk, Die Theologie und das Ethos der Wissenschaften, in: Münchener Theol. Zeitschrift 25 (1974) 336-358; […]
[[EN 9] In: J. Ratzinger, Prinzipien christlicher Moral 74.]
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